Bei Stromer, wo die Mobilität der Zukunft erfunden wird

Die S-Pedelecs der Berner Marke Stromer sind für ihre Leistungsstärke und ihr Design berühmt und ziehen in der ganzen Welt ihre Bahnen. Wir haben die Fertigungsstrasse in Oberwangen besucht, wo jährlich über 10 000 Velos montiert werden.
1 mai 2025 Clément Grandjean
© Clément Grandjean
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Dieses Ballett vollzieht sich in absoluter Ruhe und die herrschende Stille bildet einen Kontrast zu den flinken Handgriffen der Mitarbeitenden. In der langen und gut ausgeleuchteten Halle reiht sich Bike an Bike. In einem scheinbar endlosen Reigen gelangen sie in mit Rollen versehenen Montageständern von einem Fertigungsposten zum nächsten. Wer den Blick von links nach rechts schweifen lässt, erfasst im Zeitraffer das Montageverfahren der Velos – vom nackten Rahmen bis zum fahrbereiten S-Pedelec.

Willkommen in Oberwangen (BE). Hier befindet sich die Montagelinie von Stromer, dem europäischen Marktführer für Elektrovelos mit 45 km/h – oder Speed Pedelec, wie diese Art schnelle Bikes in der Branche genannt wird. Das bedeutet, dass die Tretunterstützung durch den Elektromotor bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h reicht – im Gegensatz zu 25 km/h beim herkömmlichen Pedelec.

Jeden Tag ein anderes Modell

Hier, unweit von Bern, werden alle Bikes der Marke montiert. «Durch diese Nähe zum Schweizer Markt haben wir keine Probleme mit zeitlichen Verzögerungen und können die Spezifikationen der Modelle sehr viel kurzfristiger anpassen als bei einer ins Ausland verlagerten Produktion», bringt es Anja Knaus, Communications Manager der Marke, auf den Punkt. «Die räumliche Nähe von Entwicklung und Fertigung ist auch beim Qualitätsmanagement von Vorteil.» Darüber hinaus ist die Schweizer Fertigung auch ein gutes Verkaufsargument. «Swissness ist eine Qualitätsgarantie. Für Kunden auf der Suche nach einem hochwertigen Elektrovelo ist das wichtig.»

Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage auf dem Markt für Elektrovelos (siehe Kasten) bleibt die Produktion stabil und rund 10 000 Bikes verlassen Jahr für Jahr die Montagelinie, die denen der Automobilindustrie in nichts nachsteht. «Jeden Tag wird ein anderes Modell montiert. Dabei folgen wir einer vorgegebenen Planung», erklärt Cem Schneider, Head of Assembly, und geht mit raschem Schritt durch die Halle. «Der Prozess ist bei allen Velos der gleiche, vom Basis- bis zum Spitzenmodell. Bei den Spitzenmodellen werden lediglich mehr Komponenten verbaut.»

5 Meilensteine einer Erfolgsgeschichte

  • 2009 Der Unternehmer Thomas «Thömu» Binggeli gründet Stromer gemeinsam mit dem ehemaligen CEO von Swisscom Carsten Schloter. 2010 wird die Marke zu myStromer AG.
  • 2011 Stromer lanciert das ST1, das erste S-Pedelec mit komplett im Rahmen integriertem Akku.
  • 2014 Das Modell ST2, das weltweit erste S-Pedelec mit smarter Konnektivität, gewinnt den Red Dot Design Award.
  • 2021 Das französische Unternehmen Naxicap kauft Stromer und erweitert sein Portfolio um die spanische E-Bike-Marke Desiknio.
  • 2023 Das Modell ST7 gewinnt den Red Dot Design Award «Best of the Best».

An einer Wand hängt eine Tabelle mit der Anzahl der Bikes, die heute die Montagelinie verlassen werden. Es sind 53. Daneben finden sich Dutzende von noch nackten Rahmen, unzählige Laufräder, Heerscharen von Lenkern und kilometerweise Elektrokabel. «Die Teile werden zunächst vormontiert, um anschliessend die Montagearbeit zu erleichtern. Dann werden sie zu den Montagestationen gebracht.

Eine Mobilitätslösung

Ein Rahmen ist fest an einem hohen roten Montageständer fixiert und gelangt zum ersten Montageplatz. Dort montiert ein Mitarbeiter das Bremssystem. Knapp zehn Minuten später bewegt sich das Ganze einige Meter weiter und wird sofort durch einen neuen Rahmen ersetzt. Und dieser Vorgang wiederholt sich mit der Präzision eines Metronoms. Kaum eine Stunde später erreicht das komplett fahrbereite Elektrovelo das Ende der acht Montageposten, aus denen die Linie besteht. Es wird auf den Boden gestellt und genau unter die Lupe genommen, um noch den kleinsten Makel zu entdecken. Anschliessend gelangt es mit einem Aufzug ein Stockwerk tiefer, wo es verpackt und versendet wird.

«Your next car is a bike», lautet der entschiedene Slogan, der auf den grossen Pappkartons prangt. Einen Teil der Autos durch Elektrovelos zu ersetzen – hinter diesem Marketingargument steht eine Überzeugung, die den Unternehmensgründer Thomas Binggeli beseelte und die auch heute, fünfzehn Jahre nach der Entwicklung der ersten S-Pedelecs, das Credo der Marke darstellt. «Wir begnügen uns nicht damit, Velos zu fertigen, sondern wir bieten eine Mobilitätslösung», stellt Christoph Lindlein, Chief Marketing Officer von Stromer, fest. «Dem Speed Pedelec kommt eine zentrale Rolle auf unseren Strassen und in unseren Städten zu. Denn es bietet eine andere, praktische und nachhaltige Art der Mobilität auf mittleren bis längeren Strecken.»

Das fehlende Bindeglied

Ist also das schnelle Elektrovelo das fehlende Bindeglied zwischen Auto und klassischem Velo? Nicht nur durch seinen stolzen Preis von 4500 Franken bis über 13 000 Franken für die Spitzenmodelle hebt es sich vom klassischen Velo ab, sondern auch durch seine Spezifikationen. Die jüngsten Modelle verfügen über Beleuchtungs-, Brems- und Sicherheitssysteme, die einem Motorrad praktisch in nichts nachstehen.

Und diese Annäherung wird sich fortsetzen, denn die Marke setzt auf eine konstante technologischen Verbesserung ihrer Bikes, von den Akkus über die Ergonomie bis zur Wahl der Werkstoffe. Neben der Montagelinie widmet sich ein Team der Entwicklung von Prototypen, die nach und nach auf den kleinen Strassen des Berner Landes getestet werden. «Von Anfang an beruht die Stärke des Unternehmens in der Entwicklung der Technologie der Velos, der elektrischen Komponenten, der Software und ihrer Integration in die Systeme. Ausserdem streben wir nach einem modernen und attraktiven Design», erklärt Christoph Lindlein. «Heute sind Funktion und Design eines Elektrovelos noch sehr ähnlich wie bei einem herkömmlichen Velo. Nun halten aber die Technologien, die wir insbesondere aus dem Automobilbereich kennen, seien es Sicherheitssysteme, bessere Lademöglichkeiten oder Nutzererfahrung, ein spannendes Potenzial für Elektrovelos bereit.»

Sein Steuer gegen ein Lenkrad tauschen – auch wenn die Mobilität der Zukunft sicherlich nicht nur auf diesen Übergang hinausläuft, so stellt das S-Pedelec doch zweifellos einen wichtigen Bestandteil dieser Gleichung dar. Und Stromer versteht es in diesem Zusammenhang gut, seine Rolle zu spielen.

+ mehr Infos stromerbike.com

Ein rückläufiger Markt

Nach dem unvergleichlichen Boom während der Pandemie sinken die Velo-Absätze seit drei Jahren deutlich. Diese Entwicklung betrifft auch Elektrovelos: Im Jahr 2024 wurden 151 772 Elektrovelos verkauft. 2023 waren es noch 172 487. Je nach Kategorie beträgt der Rückgang 10 bis 15 %. Mit einer Ausnahme: Cargovelos sind weiterhin auf Wachstumskurs. Eine direkte Folge dieser schwierigen Marktlage: Flyer, die andere grosse Schweizer Elektrovelo-Marke, plant die Schliessung ihres Werks in Huttwil (BE). Die von der Vereinigung der Schweizer Velohersteller Velosuisse veröffentlichten Zahlen zeigen allerdings, dass Elektrovelos inzwischen fast die Hälfte der Jahr für Jahr verkauften Velos ausmachen. Die Speed Pedelecs stellen ungefähr 15 % der in der Schweiz verkauften Velos dar. Dieser Anteil ist deutlich höher als im Ausland. In Deutschland beispielsweise beträgt er nur 0,5 %.

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