SenseFly: das fliegende Auge der Landwirte
Wir befinden uns unweit der Fachhochschule von Changins (VD). Fabien Ortiz, Customer Success Engineer bei SenseFly, gibt die Flugdaten der Drohne in seinen Computer ein. Mit ihrem schwarzen Rumpf aus Polypropylenschaum (EPP) sieht die SenseFly eBee X wie ein Tarnkappenflugzeug aus.
Im Gegensatz zu den Drohnen, die senkrecht in die Luft starten, wird diese Drohne in die Hand genommen und ein leichter Schub reicht aus, damit sie abhebt. Innerhalb weniger Sekunden hat die Drohne die Flughöhe der Bussarde und Milane erreicht, die über den Feldern ihre Bahnen ziehen. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat, landet sie ohne menschliches Zutun.
Mit einer Flugdauer bis zu 90 Minuten kann sie eine Fläche bis zu 500 Hektar erfassen. Mit einer Geschwindigkeit zwischen 40 und 110 km/h überfliegt sie rasch weite Flächen und liefert dabei dank austauschbarer Sensoren (RGB-, Multispektral-, Wärmebild- oder auch 3D-Kameras) Bilder mit einer Auflösung im Zentimeterbereich. Ihre elektronischen Augen verwandeln die Parzellen in detaillierte Karten: Orthofotos, 3D-Modelle, Wärmekarten oder Vegetationsindizes. Diese Daten werden zu wertvollen Managementempfehlungen für den Landwirt.
Basierend auf der unterschiedlichen Reflexion der Pflanzen lässt sich ihr Gesundheitszustand ermitteln.
Vegetationsindex-Karten
Vegetationsindex-Karten (NDVI-Karten) geben beispielsweise Aufschluss über den Gesundheitszustand der Kulturen. Diese Karten basieren auf der Tatsache, dass Pflanzen Sonnenlicht reflektieren. «Bei gesunden Pflanzen absorbiert das Chlorophyll einen Grossteil des Lichtspektrums und reflektiert das Licht daher kaum», erklärt der Ingenieur. «Ist eine Pflanze jedoch krank, absorbiert sie sehr wenig und reflektiert das gesamte Licht.» Anhand dieser unterschiedlichen Refle-xion lässt sich eine Skala erstellen, an der sich die Gesundheit der Pflanzen ablesen lässt.
Mithilfe der Vegetationsindex-Karten lässt sich beispielsweise der Einsatz von Düngemitteln steuern. «Wird der Dünger nur dort ausgebracht, wo den Pflanzen Nährstoffe fehlen, lässt sich dessen Ausbringung möglicherweise um ein Drittel reduzieren. Das ist sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht von Vorteil», erklärt Dorothea Noll, Lehrmeisterin HES in Boden- und Umweltwissenschaften in Changins. «Das Gleiche gilt für die Bewässerung. Dank der Multispektral- oder Wärme-bildsensoren lassen sich Zonen mit Trockenstress rasch ausmachen. So kann entsprechend der tatsächlichen Bedürfnisse bewässert werden. Das wird als Präzisionslandwirtschaft bezeichnet.
So funktioniert’s
SenseFly wurde 2009 gegründet und 2021 von dem amerikanischen Unternehmen AgEagle übernommen. Bekannt wurde SenseFly durch seine Starrflügler-Drohne eBee. Sie hat je nach gewünschtem Einsatz eine spezielle Kamera an Bord. Die erfassten Daten werden anschliessend verarbeitet, um verschiedene Arten von Bildern zu generieren, wie multispektrale Bilder, 2D-Orthofotos, 3D-Rekonstruktionen, Wärmebilder oder hochauflösende RGB-Luftbilder.
Das Potenzial der Drohnen bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung hat auch die Hochschule in Changins erkannt und 2012 ein Forschungsprojekt lanciert, das den Mehrwert und die Grenzen deren Einsatzes in der Landwirtschaft ermitteln soll, und zwar insbesondere in Hinblick auf die Bodenmassnahmen», erklärt die Forscherin. Die Einrichtung bietet ihren Studierenden auch Kurse an, um die Grundlagen der Steuerung zu verstehen und sie für die Vorteile dieser Technologie zu sensibilisieren. Sie sollen darin ausgebildet werden, diese Instrumente zu nutzen und das Ganze dennoch mit der gebührenden Skepsis zu betrachten. «Die Vegetationsindex-Karten sind sehr nützlich. Aber es empfiehlt sich dennoch immer, selbst zu überprüfen, wie die Pflanze reagiert», betont die Fachfrau.
Wissen bewahren
Die Kenntnisse über den Boden einer Parzelle werden im Lauf der Zeit immer umfangreicher und die Landwirte geben dieses Wissen traditionell an die nächste Generation weiter. Nun besteht aber die Gefahr, dass dieses Wissen verloren geht, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe verkauft und von völlig neuen Eigentümern übernommen werden. «Um Abhilfe zu schaffen, können bei einem halbstündigen Flug Daten erfasst werden, deren Analyse die Informationen «wieder auferstehen» lassen, die ansonsten verloren gegangen wären», erklärt Fabien Ortiz.
Noch ein Nischenprodukt
Trotz der Vorteile nutzen nur wenige Schweizer Landwirte die eBee X. Dies erklärt sich teilweise durch den Preis (um die 10’000 Franken ohne Steuern) und vor allem durch die relativ bescheidenen Betriebsgrössen im Land. «Ihr Einsatz ist für die Produktion weniger interessant, da die Landwirte ihre Felder leicht abfahren können. Was wir brauchen, ist die Möglichkeit, diese Geräte in grösserem Umfang zu mieten, beispielsweise über Genossenschaften», schliesst Dorothea Noll.
Weitere Infos : ageagle.com
