Das flüssige Gold, das das Leben der Menschen seit Anbeginn der Zeit versüsst

In der Schweiz liegt die Bienenzucht überwiegend in den Händen passionierter Hobbyimker. In einer Zeit stetig wachsender Herausforderungen spielen sie eine entscheidende Rolle für den Erhalt der Honigbienenpopulation.
18 septembre 2025 David Genillard 
© Mathieu Rod/Adobe Stock
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Wenn das Pferd die edelste Er­rungenschaft des Menschen ist, dann ist die Biene zwei­fellos seine treueste Arbeiterin. Die An­fänge dieser langen Liebesgeschichte verlieren sich im Dunkel der Zeit. Sicher ist jedoch, dass der Mensch bereits zu Beginn der Jungsteinzeit den süssen Er­trag der Hautflügler zu schätzen wuss­te. In der Höhle von La Araña, in der Nähe der spanischen Stadt Valencia, fanden sich Höhlenmalereien, die eine von Bienen umgebene Person darstel­len. Sie klettert eine Leiter hinauf und hält einen Korb in der Hand. Dieses Werk, das vermutlich um 6000 v. Chr. (wenn nicht sogar zwischen 7000 und 8000 v. Chr.) erschaffen wurde, ist das älteste bekannte Zeugnis für den Ver­zehr von Honig.

Auch in Anatolien, der heutigen Türkei, genoss man die Vorzüge des flüssigen Goldes: Archäologen förderten eine 7000 Jahre alte Keramik mit Bienen­wachs zutage. Die älteste schriftliche Erwähnung von Honig stammt aus dem Jahr 1550 v. Chr. Im Papyrus Ebers ist vermerkt, dass die Ägypter die heilende und antibakterielle Wirkung von Honig kannten und ihn auch bei Einbalsamierungen verwendeten. Diese archäologischen Funde belegen nicht nur die Bedeutung dieses Lebensmittels über die Jahrhunderte hinweg, sondern auch seine weitreichende Verbreitung. Ein Besuch im Botanischen Garten von Neuenburg bestätigt dies: Seit 2012 hat die Einrichtung eine beachtliche Samm­lung von mittlerweile mehr als 1000 Honigsorten aus 114 verschiedenen Län­dern zusammengetragen.

Verschiedene Texturen

Eigentlich müsste man von Honigen im Plural sprechen: Flüssig, feincremig, hell, bernsteinfarben oder nahezu schwarz – das Naturprodukt aus dem Bienenstock kann sehr unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen. «Der Lavendelhonig aus Südfrankreich hat beispielsweise eine sehr helle Farbe und kristallisiert sehr fein. Dagegen sind ei­nige Honigsorten aus Afrika recht dun­kel», erklärt Caroline Reverdy. Die Be­raterin für sensorische Analysen, insbe­sondere von Lebensmitteln, schult Im­ker im Rahmen ihrer Ausbildung in der Kunst der Honigverkostung.

Verschiedene Faktoren wie die den Bie­nen zur Verfügung stehenden Rohstoffe, die Art der Honiggewinnung, der Reife­grad und die Lagerbedingungen können das Aussehen des Endprodukts beein­flussen. Auch die Aromenpalette scheint nahezu unendlich. Wie bei Wein, Kaffee oder Whisky gibt es auch für Honig ein eigenes Aromarad.

Ein Honig kann demzufolge mild, frisch, fruchtig, blumig, würzig oder holzig sein. Er kann auch als «chemisch» oder «tie­risch» empfunden werden, wenn der Extraktions- und Abfüllprozess nicht op­timal verlaufen ist. «Wenn wir die Kontrolleure ausbilden, die für die Überprü­fung der Erntequalität zuständig sind, zeigen wir ihnen, wie sie Mängel erken­nen können», fährt Caroline Reverdy fort. «So kann man beispielsweise einen Kohlgeruch feststellen, wenn der Honig geerntet wurde, obwohl er noch zu feucht war. In der Schweiz darf er bei der Ernte einen Wassergehalt von maximal 20 % aufweisen (um die Label «Or Suisse» oder «Miel du Pays de Vaud» zu erhalten, darf der Wassergehalt nur maximal 18,5 % betragen, Anm. d. Red). Liegt dieser Wert höher, besteht die Gefahr der Gärung. Manchmal nimmt man auch Thymian­aromen wahr. Diese können auf eine unsachgemässe Behandlung gegen die Varroamilbe mit Thymol zurückzufüh­ren sein.»

Die Stadt-Imkerei tut sich schwer

«Bienen und städtische Natur passen gut zusammen.» Zu diesem Fazit kam die Stadt Lau­sanne 2017, sechs Jahre nachdem im Zentrum der Waadtländer Hauptstadt zwölf Bienenstö­cke aufgestellt worden waren – zusätzlich zu Insektenhotels für Wildbienen. Dennoch meh­ren sich die Artikel zu diesem Thema, in denen meist von einer «vermeintlich guten Idee» die Rede ist.

Jean-Daniel Charrière ist skeptisch. «Es besteht die Gefahr einer Konkurrenzsituation zwischen den Interessen der Imkerei und denen der Bio­diversitätsförderung. Unser derzeitiges Wissen scheint uns jedoch zu lückenhaft, um eine Ent­scheidung zu treffen und Standortbeschrän­kungen aufzuerlegen. Wir haben kürzlich ein Forschungsprojekt zu dieser Thematik initiiert. Hat diese Nahrungskonkurrenz tatsächlich Aus­wirkungen? Und wenn ja, welche Massnahmen können ergriffen werden, um die Verfügbarkeit von Ressourcen zu erhöhen?»

Der Wissenschaftler, der selbst Imker ist, steht diesem Vorgehen jedoch skeptisch gegenüber: «Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, Honigbienen in der Stadt anzu­siedeln. Die Gefahr durch Insektenstiche steigt und die Imker müssen ihre Bienenstöcke sehr genau beobachten, um zu verhindern, dass sich Schwärme an potenziell gefährlichen Orten bil­den. Als Imker ist das ein Stressfaktor, den ich mir nicht zumuten würde.»

Amélie Héritier empfängt uns in der Nä­he ihrer Bienenstöcke oberhalb von Saint-Légier (VD) und erläutert uns die Ursachen dieses vielseitigen Ge­schmacksprofils. «Die Nahrung der Bie­nen hat einen erheblichen Einfluss auf Geschmack und Textur. Den Bestäubern stehen zwei Nahrungsquellen zur Ver­fügung: Blütennektar und Honigtau, ein Ausscheidungsprodukt von Blattläusen. Im Wald sammeln sie hauptsächlich Ho­nigtau, der dem Honig eine kräftigere Note verleiht.»

Ebenso trägt jede Blume ihre eigene No­te zum Endprodukt bei. Da Bienen in einem Umkreis von drei Kilometern nach Nahrung suchen, sind sortenreine Honige in der Schweiz selten. «Daher ist es ziemlich schwierig, ein bestimmtes Terroir zu identifizieren, im Gegensatz etwa zum Lavendelhonig aus der Pro­vence», ergänzt Caroline Reverdy.

Schwankende Erträge

Sobald der Nektar in den Bienenstock eingetragen wird, tauschen die Arbeite­rinnen diese Substanz durch Hervor­würgen untereinander aus. «Diesen Vorgang bezeichnen wir als Trophal­laxis», erklärt Amélie Héritier. Die im Ausschuss der Imkervereinigung der Waadtländer Alpen tätige Beraterin zeigt dabei auf zwei Bienen, die diese Arbeit an einem aus dem Bienenstock entnommenen Rahmen verrichten.

Ist dieser Vorgang abgeschlossen, lagern die Insekten die Nahrung ein. «Zunächst horten sie das, was zur Versorgung des Bienenvolks notwendig ist und lagern dann den Überschuss in den Rähmchen ein, die in die Zargen eingesetzt werden. Diese Rahmen, die wir auf dem Bienen­stock platzieren, dienen den Tieren ge­wissermassen als Vorratskammer.» So­bald die Waben komplett mit Honig gefüllt sind und von den Bienen mit einer dünnen Wachsschicht versiegelt wurden, erfolgt die Entnahme. In der Honigküche wird diese Schicht entfernt und der Honig durch Zentrifugieren gewonnen.

Der Juli ist noch jung, als die Imkerin uns in ihrer Honigmanufaktur in Blonay (VD) begrüsst, um diesen Arbeitsschritt ge­meinsam durchzuführen. Für die Bie­nenvölker ist es schon jetzt an der Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten. Zu dieser Jahreszeit zählen sie bis zu 30’000 Individuen, doch diese Zahl wird bis zum Beginn der kalten Jahreszeit allmählich auf 7000 bis 8000 zurückgehen.

«Mitte Juli ist die letzte Chance, um die Honigwaben zu entnehmen», erklärt die Imkerin aus Blonay. Dann findet die zweite jährliche Ernte statt. Die erste erfolgt Ende Mai, sofern die Bedingun­gen es zulassen. «Ein Bienenstock kann bis zu 30 Kilogramm Honig pro Jahr lie­fern, aber diese Mengen sind sehr varia­bel. Im letzten Jahr betrug die durch­schnittliche Ernte lediglich 10 kg. Wir mussten die Bienen sogar mit Zucker­sirup füttern, da sie aufgrund des Regens nicht genug Nektar auf den Fel­dern fanden, um den Bedarf des Bienen­volks zu decken.»

Diese Unsicherheit sowie der Mangel an geeigneten Flächen in der Schweiz ha­ben direkten Einfluss auf die Bienen­zucht des Landes. Sie ist wenig rentabel und wird daher überwiegend von Hob­byimkern betrieben. Dennoch spielen diese eine wichtige Rolle. «In der Schweiz gibt es 600 Wildbienenarten, von denen heute 40 % bedroht oder be­reits ausgestorben sind», erklärt Jean-Daniel Charrière, Leiter des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope. «Dagegen gibt es in der Schweiz noch 180’000 Honigbienenvöl­ker, und diese Zahl ist stabil.» Dass die meisten Imker Hobbyimker sind, ist ein Glücksfall, denn wirtschaftliche Aspekte spielen eine geringere Rolle als in ande­ren Ländern. Dadurch ist die Imkerei auch in Regionen mit weniger guten Ernteaussichten möglich. In Frankreich beispielsweise ist die Tätigkeit vieler professioneller Imker hingegen bedroht.»

Produzenten unter Druck

Fakt ist: Es gibt viele Faktoren, die die Branche belasten, darunter der Schäd­lingsbefall, der Klimawandel oder der Einsatz von Pestiziden. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, doch der Rückgang ist unwider­legbar. «Schätzungen zufolge ver­schwinden jeden Winter 10 bis 20 % der Bienenvölker, während vor 2003 nur gelegentlich Verluste von über 10 % zu verzeichnen waren. Um die Anzahl der Bienenstöcke aufrechtzuerhalten, kön­nen Imker das Ausschwärmen kontrol­lieren und so die Bildung neuer Bienen­völker begünstigen. Das ist jedoch mit Arbeit und Investitionen verbunden», betont Jean-Daniel Charrière.

Auch die Apis mellifera bleibt vom Kli­mawandel nicht verschont. «In Frank­reich beobachten wir, dass bestimmte Anbaugebiete, die früher ein wahres Eldorado waren, wie beispielsweise die Provence, mit Schwierigkeiten zu kämp­fen haben. Die Pflanzen produzieren nicht mehr genug Nektar oder erreichen das Blühstadium gar nicht erst», fährt Charrière fort. «Andere Regionen weiter nördlich entwickeln sich hingegen posi­tiv. In der Schweiz blühen die Pflanzen im Frühjahr zeitiger und im Herbst län­ger, was grundsätzlich positiv ist. Prob­leme könnten jedoch bei der Bekämpfung der Varroamilbe auftreten. Bei Temperaturen über 30 °C schaden die Behandlungen den Bestäubern. Doch damit die Winterbehandlung wirksam erfolgen kann, darf sich keine Brut mehr im Bienenstock befinden, bei der der Parasit Zuflucht findet. Wenn es keine Frostperioden mehr gibt, wird die Eiablage aber nicht mehr unterbrochen.»

Auch wenn die Lage in der Schweiz we­niger besorgniserregend ist als in den Vereinigten Staaten, wo die Verluste mittlerweile bei 50 % pro Winter liegen, gibt es laut dem Leiter des Forschungs­zentrums auch hierzulande Imker, die angesichts der Schwierigkeiten resignie­ren. Sie müssen immer besser ausgebil­det werden, um beispielsweise die Var­roamilbe, die massgeblich für diese Ver­luste verantwortlich ist, effizient zu bekämpfen. Erfreulicherweise gibt es aber auch Nachwuchs. Und wir stellen fest, dass sich immer mehr Frauen in diesem Berufsfeld betätigen.»

Zwei Schädlinge unter der Lupe

Die Varroamilbe

Diese Milbe wurde 1984 erstmals in der Schweiz nachgewiesen und gilt seither als eine der Hauptursachen für das Verschwinden von Bienen­völkern im Winter. «Die ursprünglich eingesetzten chemischen Bekämp­fungsmittel stiessen an ihre Gren­zen und es entwickelten sich Resis­tenzen», erklärt Jean-Daniel Char­rière, Leiter des Zentrums für Bie­nenforschung von Agroscope. Sie wurden durch natürliche Pro­dukte, hauptsächlich durch Oxal-und Ameisensäure, ersetzt. «Die Behandlungen müssen allerdings zu ganz bestimmten Zeitpunkten und unter speziellen Bedingun­gen durchgeführt werden. Dies erfordert bessere Kenntnisse sei­tens der Imker und eine gründliche Überwachung der Bienenvölker.»

Die Asiatische Hornisse

Die Auswirkungen dieses 2004 zunächst in Frankreich beobachte­ten Hymenopteren sind nur schwer abzuschätzen. «In der Schweiz gibt es sie noch nicht sehr lange. Die Populationen haben sich zwar eta-bliert, sind aber noch nicht sehr stark entwickelt», bemerkt Jean-Daniel Charrière. Dennoch bereitet diese Bedrohung den Imkern Sorgen: «Die asiatische Hornisse ernährt sich von Honig- und Wildbienen, Käfern und Schmetterlingen und dezimiert ganze Populationen. In Frankreich sind einige Regionen bereits über­fordert», erklärt Amélie Héritier.

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