Das flüssige Gold, das das Leben der Menschen seit Anbeginn der Zeit versüsst
Wenn das Pferd die edelste Errungenschaft des Menschen ist, dann ist die Biene zweifellos seine treueste Arbeiterin. Die Anfänge dieser langen Liebesgeschichte verlieren sich im Dunkel der Zeit. Sicher ist jedoch, dass der Mensch bereits zu Beginn der Jungsteinzeit den süssen Ertrag der Hautflügler zu schätzen wusste. In der Höhle von La Araña, in der Nähe der spanischen Stadt Valencia, fanden sich Höhlenmalereien, die eine von Bienen umgebene Person darstellen. Sie klettert eine Leiter hinauf und hält einen Korb in der Hand. Dieses Werk, das vermutlich um 6000 v. Chr. (wenn nicht sogar zwischen 7000 und 8000 v. Chr.) erschaffen wurde, ist das älteste bekannte Zeugnis für den Verzehr von Honig.
Auch in Anatolien, der heutigen Türkei, genoss man die Vorzüge des flüssigen Goldes: Archäologen förderten eine 7000 Jahre alte Keramik mit Bienenwachs zutage. Die älteste schriftliche Erwähnung von Honig stammt aus dem Jahr 1550 v. Chr. Im Papyrus Ebers ist vermerkt, dass die Ägypter die heilende und antibakterielle Wirkung von Honig kannten und ihn auch bei Einbalsamierungen verwendeten. Diese archäologischen Funde belegen nicht nur die Bedeutung dieses Lebensmittels über die Jahrhunderte hinweg, sondern auch seine weitreichende Verbreitung. Ein Besuch im Botanischen Garten von Neuenburg bestätigt dies: Seit 2012 hat die Einrichtung eine beachtliche Sammlung von mittlerweile mehr als 1000 Honigsorten aus 114 verschiedenen Ländern zusammengetragen.
Verschiedene Texturen
Eigentlich müsste man von Honigen im Plural sprechen: Flüssig, feincremig, hell, bernsteinfarben oder nahezu schwarz – das Naturprodukt aus dem Bienenstock kann sehr unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen. «Der Lavendelhonig aus Südfrankreich hat beispielsweise eine sehr helle Farbe und kristallisiert sehr fein. Dagegen sind einige Honigsorten aus Afrika recht dunkel», erklärt Caroline Reverdy. Die Beraterin für sensorische Analysen, insbesondere von Lebensmitteln, schult Imker im Rahmen ihrer Ausbildung in der Kunst der Honigverkostung.
Verschiedene Faktoren wie die den Bienen zur Verfügung stehenden Rohstoffe, die Art der Honiggewinnung, der Reifegrad und die Lagerbedingungen können das Aussehen des Endprodukts beeinflussen. Auch die Aromenpalette scheint nahezu unendlich. Wie bei Wein, Kaffee oder Whisky gibt es auch für Honig ein eigenes Aromarad.
Ein Honig kann demzufolge mild, frisch, fruchtig, blumig, würzig oder holzig sein. Er kann auch als «chemisch» oder «tierisch» empfunden werden, wenn der Extraktions- und Abfüllprozess nicht optimal verlaufen ist. «Wenn wir die Kontrolleure ausbilden, die für die Überprüfung der Erntequalität zuständig sind, zeigen wir ihnen, wie sie Mängel erkennen können», fährt Caroline Reverdy fort. «So kann man beispielsweise einen Kohlgeruch feststellen, wenn der Honig geerntet wurde, obwohl er noch zu feucht war. In der Schweiz darf er bei der Ernte einen Wassergehalt von maximal 20 % aufweisen (um die Label «Or Suisse» oder «Miel du Pays de Vaud» zu erhalten, darf der Wassergehalt nur maximal 18,5 % betragen, Anm. d. Red). Liegt dieser Wert höher, besteht die Gefahr der Gärung. Manchmal nimmt man auch Thymianaromen wahr. Diese können auf eine unsachgemässe Behandlung gegen die Varroamilbe mit Thymol zurückzuführen sein.»
Die Stadt-Imkerei tut sich schwer
«Bienen und städtische Natur passen gut zusammen.» Zu diesem Fazit kam die Stadt Lausanne 2017, sechs Jahre nachdem im Zentrum der Waadtländer Hauptstadt zwölf Bienenstöcke aufgestellt worden waren – zusätzlich zu Insektenhotels für Wildbienen. Dennoch mehren sich die Artikel zu diesem Thema, in denen meist von einer «vermeintlich guten Idee» die Rede ist.
Jean-Daniel Charrière ist skeptisch. «Es besteht die Gefahr einer Konkurrenzsituation zwischen den Interessen der Imkerei und denen der Biodiversitätsförderung. Unser derzeitiges Wissen scheint uns jedoch zu lückenhaft, um eine Entscheidung zu treffen und Standortbeschränkungen aufzuerlegen. Wir haben kürzlich ein Forschungsprojekt zu dieser Thematik initiiert. Hat diese Nahrungskonkurrenz tatsächlich Auswirkungen? Und wenn ja, welche Massnahmen können ergriffen werden, um die Verfügbarkeit von Ressourcen zu erhöhen?»
Der Wissenschaftler, der selbst Imker ist, steht diesem Vorgehen jedoch skeptisch gegenüber: «Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, Honigbienen in der Stadt anzusiedeln. Die Gefahr durch Insektenstiche steigt und die Imker müssen ihre Bienenstöcke sehr genau beobachten, um zu verhindern, dass sich Schwärme an potenziell gefährlichen Orten bilden. Als Imker ist das ein Stressfaktor, den ich mir nicht zumuten würde.»
Amélie Héritier empfängt uns in der Nähe ihrer Bienenstöcke oberhalb von Saint-Légier (VD) und erläutert uns die Ursachen dieses vielseitigen Geschmacksprofils. «Die Nahrung der Bienen hat einen erheblichen Einfluss auf Geschmack und Textur. Den Bestäubern stehen zwei Nahrungsquellen zur Verfügung: Blütennektar und Honigtau, ein Ausscheidungsprodukt von Blattläusen. Im Wald sammeln sie hauptsächlich Honigtau, der dem Honig eine kräftigere Note verleiht.»
Ebenso trägt jede Blume ihre eigene Note zum Endprodukt bei. Da Bienen in einem Umkreis von drei Kilometern nach Nahrung suchen, sind sortenreine Honige in der Schweiz selten. «Daher ist es ziemlich schwierig, ein bestimmtes Terroir zu identifizieren, im Gegensatz etwa zum Lavendelhonig aus der Provence», ergänzt Caroline Reverdy.
Schwankende Erträge
Sobald der Nektar in den Bienenstock eingetragen wird, tauschen die Arbeiterinnen diese Substanz durch Hervorwürgen untereinander aus. «Diesen Vorgang bezeichnen wir als Trophallaxis», erklärt Amélie Héritier. Die im Ausschuss der Imkervereinigung der Waadtländer Alpen tätige Beraterin zeigt dabei auf zwei Bienen, die diese Arbeit an einem aus dem Bienenstock entnommenen Rahmen verrichten.
Ist dieser Vorgang abgeschlossen, lagern die Insekten die Nahrung ein. «Zunächst horten sie das, was zur Versorgung des Bienenvolks notwendig ist und lagern dann den Überschuss in den Rähmchen ein, die in die Zargen eingesetzt werden. Diese Rahmen, die wir auf dem Bienenstock platzieren, dienen den Tieren gewissermassen als Vorratskammer.» Sobald die Waben komplett mit Honig gefüllt sind und von den Bienen mit einer dünnen Wachsschicht versiegelt wurden, erfolgt die Entnahme. In der Honigküche wird diese Schicht entfernt und der Honig durch Zentrifugieren gewonnen.
Der Juli ist noch jung, als die Imkerin uns in ihrer Honigmanufaktur in Blonay (VD) begrüsst, um diesen Arbeitsschritt gemeinsam durchzuführen. Für die Bienenvölker ist es schon jetzt an der Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten. Zu dieser Jahreszeit zählen sie bis zu 30’000 Individuen, doch diese Zahl wird bis zum Beginn der kalten Jahreszeit allmählich auf 7000 bis 8000 zurückgehen.
«Mitte Juli ist die letzte Chance, um die Honigwaben zu entnehmen», erklärt die Imkerin aus Blonay. Dann findet die zweite jährliche Ernte statt. Die erste erfolgt Ende Mai, sofern die Bedingungen es zulassen. «Ein Bienenstock kann bis zu 30 Kilogramm Honig pro Jahr liefern, aber diese Mengen sind sehr variabel. Im letzten Jahr betrug die durchschnittliche Ernte lediglich 10 kg. Wir mussten die Bienen sogar mit Zuckersirup füttern, da sie aufgrund des Regens nicht genug Nektar auf den Feldern fanden, um den Bedarf des Bienenvolks zu decken.»
Diese Unsicherheit sowie der Mangel an geeigneten Flächen in der Schweiz haben direkten Einfluss auf die Bienenzucht des Landes. Sie ist wenig rentabel und wird daher überwiegend von Hobbyimkern betrieben. Dennoch spielen diese eine wichtige Rolle. «In der Schweiz gibt es 600 Wildbienenarten, von denen heute 40 % bedroht oder bereits ausgestorben sind», erklärt Jean-Daniel Charrière, Leiter des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope. «Dagegen gibt es in der Schweiz noch 180’000 Honigbienenvölker, und diese Zahl ist stabil.» Dass die meisten Imker Hobbyimker sind, ist ein Glücksfall, denn wirtschaftliche Aspekte spielen eine geringere Rolle als in anderen Ländern. Dadurch ist die Imkerei auch in Regionen mit weniger guten Ernteaussichten möglich. In Frankreich beispielsweise ist die Tätigkeit vieler professioneller Imker hingegen bedroht.»
Produzenten unter Druck
Fakt ist: Es gibt viele Faktoren, die die Branche belasten, darunter der Schädlingsbefall, der Klimawandel oder der Einsatz von Pestiziden. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, doch der Rückgang ist unwiderlegbar. «Schätzungen zufolge verschwinden jeden Winter 10 bis 20 % der Bienenvölker, während vor 2003 nur gelegentlich Verluste von über 10 % zu verzeichnen waren. Um die Anzahl der Bienenstöcke aufrechtzuerhalten, können Imker das Ausschwärmen kontrollieren und so die Bildung neuer Bienenvölker begünstigen. Das ist jedoch mit Arbeit und Investitionen verbunden», betont Jean-Daniel Charrière.
Auch die Apis mellifera bleibt vom Klimawandel nicht verschont. «In Frankreich beobachten wir, dass bestimmte Anbaugebiete, die früher ein wahres Eldorado waren, wie beispielsweise die Provence, mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Pflanzen produzieren nicht mehr genug Nektar oder erreichen das Blühstadium gar nicht erst», fährt Charrière fort. «Andere Regionen weiter nördlich entwickeln sich hingegen positiv. In der Schweiz blühen die Pflanzen im Frühjahr zeitiger und im Herbst länger, was grundsätzlich positiv ist. Probleme könnten jedoch bei der Bekämpfung der Varroamilbe auftreten. Bei Temperaturen über 30 °C schaden die Behandlungen den Bestäubern. Doch damit die Winterbehandlung wirksam erfolgen kann, darf sich keine Brut mehr im Bienenstock befinden, bei der der Parasit Zuflucht findet. Wenn es keine Frostperioden mehr gibt, wird die Eiablage aber nicht mehr unterbrochen.»
Auch wenn die Lage in der Schweiz weniger besorgniserregend ist als in den Vereinigten Staaten, wo die Verluste mittlerweile bei 50 % pro Winter liegen, gibt es laut dem Leiter des Forschungszentrums auch hierzulande Imker, die angesichts der Schwierigkeiten resignieren. Sie müssen immer besser ausgebildet werden, um beispielsweise die Varroamilbe, die massgeblich für diese Verluste verantwortlich ist, effizient zu bekämpfen. Erfreulicherweise gibt es aber auch Nachwuchs. Und wir stellen fest, dass sich immer mehr Frauen in diesem Berufsfeld betätigen.»
Zwei Schädlinge unter der Lupe
Die Varroamilbe
Diese Milbe wurde 1984 erstmals in der Schweiz nachgewiesen und gilt seither als eine der Hauptursachen für das Verschwinden von Bienenvölkern im Winter. «Die ursprünglich eingesetzten chemischen Bekämpfungsmittel stiessen an ihre Grenzen und es entwickelten sich Resistenzen», erklärt Jean-Daniel Charrière, Leiter des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope. Sie wurden durch natürliche Produkte, hauptsächlich durch Oxal-und Ameisensäure, ersetzt. «Die Behandlungen müssen allerdings zu ganz bestimmten Zeitpunkten und unter speziellen Bedingungen durchgeführt werden. Dies erfordert bessere Kenntnisse seitens der Imker und eine gründliche Überwachung der Bienenvölker.»
Die Asiatische Hornisse
Die Auswirkungen dieses 2004 zunächst in Frankreich beobachteten Hymenopteren sind nur schwer abzuschätzen. «In der Schweiz gibt es sie noch nicht sehr lange. Die Populationen haben sich zwar eta-bliert, sind aber noch nicht sehr stark entwickelt», bemerkt Jean-Daniel Charrière. Dennoch bereitet diese Bedrohung den Imkern Sorgen: «Die asiatische Hornisse ernährt sich von Honig- und Wildbienen, Käfern und Schmetterlingen und dezimiert ganze Populationen. In Frankreich sind einige Regionen bereits überfordert», erklärt Amélie Héritier.
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