AgroImpact: eine neuartige Allianz zur Reduktion der CO2-Bilanz der Schweizer Landwirtschaft

Der interkantonale Verein AgroImpact bietet massgeschneiderte agronomische Lösungen, um den CO2-Fussabdruck von Landwirtschaftsbetrieben zu verringern. Eine Kooperation zwischen Umweltschützern, Landwirten und Vertretern der Industrie macht dies möglich.
27 novembre 2025 La Rédaction
© Sigfredo Haro
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Auf den Hügeln von Daillens (VD) blicken Pascal und Quentin Francillon auf ihre Felder. Der Familienbetrieb, den Vater und Sohn gemeinsam bewirtschaften, erstreckt sich über 100 Hektar oberhalb von Lausanne. Die beiden gehören zu den fast 300 Landwirten, die an der ersten Phase des Projekts AgroImpact teilnehmen. Sie wollen ihre Bodenbearbeitung optimieren, mehr Kompost ausbringen und ihre Aussaatstrategie anpassen, um die CO2-Bilanz des Betriebs innerhalb von sechs Jahren um 71% zu senken.

Erst messen, dann handeln

Der Ende 2023 gegründete interkantonale Verein AgroImpact bringt Landwirte, den WWF, den multinationalen Konzern Nestlé und den Einzelhändler Lidl an einen Tisch. Diese neuartige Allianz wurde von den Landwirtschaftskammern der Westschweiz mit Unterstützung des Kantons Waadt initiiert, um gemeinsam das Problem der Reduktion der CO2-Bilanz im Landwirtschaftssektor anzugehen. «Die Agrarpolitik allein reicht nicht mehr aus, wir müssen den Markt einbeziehen», erklärt AgroImpact-Direktorin Aude Jarabo.

Wenn wir die Emissionen senken und die Bindung im Boden optimieren, können wir unsere CO2-Bilanz um 71% verbessern.

Zunächst muss jeder Betrieb, der sich freiwillig beteiligt, eine vollständige CO2-Bilanz nach der ClimaCert-Methode erstellen. In der Berechnung werden nicht nur die Emissionen (Maschinen, Düngemittel, Vieh) berücksichtigt, sondern auch die Speicherkapazität der Böden. Dabei zeigen sich mitunter ungeahnte Verbesserungsmöglichkeiten. «Als AgroImpact Messungen in meinem Betrieb durchführte, stellten wir fest, dass meine Böden bereits CO2 in gewissen Mengen speichern», berichtet Yann Morel, Landwirt und Winzer in Arnex-sur-Orbe (VD). «Ich pflüge meine Felder seit 20 Jahren nicht mehr. Daher ist der Boden humusreich und kann mehr Kohlenstoff speichern, als er abgibt. Jetzt müssen wir noch an den Emissionen der Maschinen arbeiten.»

Eine innovative Plattform

Nach Erstellung der Bilanz wird dem Landwirt nichts auferlegt. Gemeinsam mit einem zuständigen kantonalen Fachberater wählt er die für ihn geeigneten Handlungsmassnahmen aus. «Es ist wichtig, dass man die völlige Entscheidungsfreiheit behält», betont Thierry Salzmann, Landwirt aus Bavois. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimafussabdruck seines Betriebs innerhalb von sechs Jahren durch mehrere gezielte Massnahmen um 95% zu reduzieren.

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Um den Wandel voranzutreiben, hat AgroImpact eine innovative Plattform ins Leben gerufen. «Die AgroImpact-Plattform ist deshalb so richtungsweisend, weil sie nicht auf einem Ausgleichsmechanismus beruht», erklärt die Direktorin. «Nur Akteure, die direkt oder indirekt für Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, sind von den erzielten CO2-Reduktionen betroffen.» Dieser Ansatz wird als Insetting bezeichnet, im Gegensatz zum traditionellen CO2-Ausgleich (Offsetting), bei dem externe Projekte finanziert werden, die keinen direkten Bezug zu den Betriebsabläufen des Unternehmens haben. Dies war einer der Gründe, warum sich der WWF Schweiz entschlossen hat, AgroImpact zu unterstützen.

Ein weiterer Aspekt dieses Ansatzes sind die Klimaprämien. Die Industrieunternehmen und Händler, die die Produkte kaufen, vergüten die Klimaschutzbemühungen der Landwirte direkt, indem sie ihnen Prämien zahlen. Gemäss dem Prinzip der geteilten Governance, das dem Handeln von AgroImpact zugrunde liegt, wurde eine Gruppe von Akteuren zusammengestellt, die den Preis für ein Kilogramm CO2 festlegen und die Bemühungen fair vergüten soll. Aude Jarabo erläutert den Prozess: «Der Kohlenstoffpreis wird für einen längeren Zeitraum festgesetzt, der für die erforderlichen Veränderungen in den landwirtschaftlichen Betrieben notwendig ist. Dies erfolgt in Absprache, damit der Preis sowohl für diejenigen, die die Anstrengungen unternehmen, als auch für diejenigen, die sie vergüten, attraktiv genug ist. Wir gehen also über die Logik von Angebot und Nachfrage hinaus und legen diesen Preis über eine repräsentative Kommission fest.»

Der CO2-Fussabdruck wird zu einem Qualitätskriterium, das genauso wichtig ist wie der Proteingehalt oder die Herkunft.

Derzeit vergibt die Plattform im Durchschnitt 1,3 Rappen pro Kilogramm Milch bzw. 34 Franken pro Tonne Weizen an die beteiligten Produzenten. Die über einen Zeitraum von sechs Jahren bereitgestellten Mittel belaufen sich auf 4,8 Millionen Franken für 16’114 Tonnen zertifizierter kohlenstoffarmer Produkte. Laut AgroImpact erhalten die teilnehmenden Betriebe mit den aktuell in der Finanzierungsplattform enthaltenen Produkten durchschnittlich eine Klimaprämie von rund 5000 Franken pro Jahr.

Zuverlässige Daten zum CO2-Fussabdruck von Erzeugnissen

AgroImpact liefert grossen Lebensmittelunternehmen das, was sie dringend benötigen: zuverlässige Primärdaten zum CO2-Fussabdruck von Lebensmitteln. Denn aufgrund ihrer Klimaschutzverpflichtungen müssen diese Unternehmen ihre Emissionen bis 2030 um 30 % reduzieren. «Der Product Carbon Footprint wird zu einem Qualitätskriterium, das genauso wichtig ist wie der Proteingehalt oder die Herkunft», betont Aude Jarabo. Am 1. September beteiligten sich bereits 165 Betriebe aus dem Kanton Waadt, knapp 50 aus dem Jura und Bern sowie rund 60 aus Genf, Freiburg und Neuenburg an dem Programm. Ziel ist es, bis 2030 17’000 und bis 2050 25’000 Betriebe zu erreichen.

Ein zukunftsfähiges Modell

In der Praxis überzeugt das Konzept durch seinen Pragmatismus. Es gibt weder ein Patentrezept noch Auflagen, sondern lediglich eine Betreuung, die auf wissenschaftlichen Daten basiert, sowie eine konkrete Vergütung der geleisteten Arbeit. «Ich sehe AgroImpact als eine Art Ernteversicherung gegen klimatische Einflüsse», erklärt Yann Morel. Die Initiative steht zudem für einen kulturellen Wandel. Es mag überraschen, dass ein Landwirt, eine Umwelt-NGO und ein multinationaler Konzern am gleichen Strang ziehen. «Der Gegensatz zwischen uns wird überspitzt dargestellt», findet Benoît Stadelmann, Leiter der Abteilung Gemeinschaften und Projekte für die Natur beim WWF. «Wir verfolgen alle ein gemeinsames Interesse: gesunde Böden.»

Das Konzept von AgroImpact in der Westschweiz eröffnet vielversprechende Perspektiven: «Der Unterschied besteht darin, dass wir kein klassisches Budget für den Einkauf landwirtschaftlicher Produkte bereitstellen, sondern ein Investitionsbudget», erklärt die Vereinsdirektorin. «Die Unternehmen investieren bei ihren Lieferanten, um sich die Rohstoffe für morgen zu sichern. Dadurch können wir aus den oft festgefahrenen Preisverhandlungen ausbrechen. Die unverzichtbare wissenschaftliche Expertise steht ebenfalls in jeder Phase zur Verfügung.»

Auch die Waadtländer Staatsrätin Valérie Dittli ist vom Potenzial dieser Initiative überzeugt und erläutert, welche Rolle sie im Rahmen der künftigen Agrarpolitik spielen könnte: «Wir haben es hier mit einem völlig neuen Modell zu tun, das den Wandel in der Landwirtschaft unterstützt. Sollte es sich als wirksam erweisen, könnte es das derzeitige System der Direktzahlungen ergänzen oder im Rahmen der künftigen Agrarpolitik 2030 sogar eine glaubwürdige Alternative dazu darstellen.»

Weitere Infos agroimpact.ch

Fragen an Thomas Vellacott, Geschäftsführer des WWF Schweiz

Welche Rolle spielt der WWF im AgroImpact-Komitee?

Als Umwelt-NGO ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Prozesse und Methoden wissenschaftlich fundiert sind. Diese Aufgabe teilen wir mit den Mitgliedern des wissenschaftlichen Kollegiums von AgroImpact. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Rückverfolgbarkeit und Transparenz der Ströme zwischen den Partnern zu gewährleisten – sei es bei Erzeugnissen, Prämien oder Kohlenstoff. Dieser Aspekt ist von zentraler Bedeutung, um Greenwashing-Vorwürfe von vornherein auszuschliessen. Der WWF setzt sich zudem dafür ein, dass sich der von AgroImpact vorangetriebene landwirtschaftliche Wandel nicht nur auf Klimaziele, sondern auch auf die Dimension der Biodiversität beschränkt. Darüber hinaus koordinieren wir gemeinsam mit den beteiligten Akteuren und einer Expertengruppe die Entwicklung eines Biodiversitätsindikators, der den derzeit geltenden Klimaindex ergänzen wird.

Die Zusammenarbeit von Nestlé und dem WWF an einem gemeinsamen Projekt mag überraschen.

Ja, und genau darin liegt die Stärke von AgroImpact, das bereits jetzt internationales Interesse weckt. Wenn ein Wirtschaftsakteur von der Grösse Nestlés beschliesst, sich konkret für die Reduktion seiner Emissionen einzusetzen, hat das eine beträchtliche Wirkung, insbesondere da das Unternehmen mit einer Vielzahl von Landwirten zusammenarbeitet. Es ist wichtig, diese Chancen zu nutzen und diese Prozesse zu begleiten, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse den hohen Zielsetzungen gerecht werden und eine Vorbildfunktion erfüllen. Die Landwirte wiederum wünschen sich bei ihrem Übergang zu nachhaltigeren Praktiken Beratung und Unterstützung. Jedes Mitglied und jedes Kollegium von AgroImpact trägt zum Erfolg dieser Transformation bei. Der WWF bringt sein Fachwissen in den Bereichen Naturschutz und nachhaltige Ressourcennutzung ein und investiert ebenfalls erhebliche Mittel in das Projekt.

Auf den ersten Blick wird der WWF nicht mit dem Agrarsektor in Verbindung gebracht. Welche Rolle spielt dieses Thema in Ihrem Aktionsplan?

Die Geschichte des WWF ist eng mit dem Naturschutz verbunden. Schnell wurde jedoch klar, dass man eine bedrohte Art nicht schützen kann, wenn man sie ausserhalb ihres Ökosystems betrachtet. Vielmehr muss man das gesamte Gefüge begreifen, in dem sie lebt: ihre Umwelt sowie die Wechselwirkungen, die sie stärken oder schwächen. In diesem Gefüge nimmt die Landwirtschaft einen zentralen Platz ein. Sie prägt einen Grossteil unserer Landschaften und beeinflusst unmittelbar die Qualität der natürlichen Lebensräume. Deshalb ist eine enge Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Nur so kann die Nahrungsmittelproduktion mit dem Erhalt der Biodiversität in Einklang gebracht werden.

+ d’infos wwf.ch

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