«Agrartechnologien müssen einen echten Mehrwert bieten, damit sie sich durchsetzen.»
Wenn ich mich an Guy Parmelin als Winzer wende, woran denken Sie, wenn Sie Worte wie «Agritech», Gadget oder Chance hören?
Ich denke an Potenzial und an Chancen. Mit diesen Technologien lässt sich die Arbeit der Winzer und Landwirte vereinfachen. Aber es geht hier nicht nur um Vereinfachung. Agrartechnologien müssen einen echten Mehrwert bieten und dürfen sich nicht auf einen Vorzeigeeffekt beschränken.
Auf welcher Ebene muss dieser Mehrwert Nutzen bringen?
Die Vereinfachung ist entscheidend. Der Verwaltungsaufwand ist heute ein wichtiges Thema und wir müssen alles daransetzen, ihn zu minimieren. Das erfordert Vorsichtsmassnahmen in Sachen Datenschutz und eine aktive Einbindung der Landwirte. Vereinfachung bedeutet auch Effizienzsteigerung. Wenn die Daten nur ein einziges Mal erfasst werden, gesetzlich geschützt und leicht austauschbar sind – immer mit Zustimmung der Landwirte –, dann ist das eindeutig von Vorteil.
Welche Rolle spielen die Agrartechnologien in der eidgenössischen Agrarpolitik? Wie begleitet der Bundesrat die Landwirtschaft hin zur Innovation?
Der Bundesrat und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) versuchen, die wirklich nützlichen Technologien zu identifizieren und deren Einführung zu fördern. Es geht darum, die Produktionskosten zu senken und die Ressourcen zu schonen, immer vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Erwartungen der Verbraucher, die ressourcenschonende Produktionsmethoden fordern. Innovationen wie Tröpfchenbewässerung oder Mäh- und Mulchroboter bieten wirtschaftliche, ökologische und soziale Vorteile. Die Reduzierung des Pestizideinsatzes um die Hälfte oder sogar noch mehr ist gut für die Umwelt und auch für den Geldbeutel.
Ein Mann der Tat
Guy Parmelin ist gelernter Winzer und Landwirt aus Bursins (VD). Seit Dezember 2015 ist er Mitglied des Bundesrats und leitet seit 2018 das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). 2021 wurde er zum Bundespräsidenten und 2025 zum Vizepräsidenten gewählt. Er engagiert sich auf allen politischen Ebenen – von der Gemeindeebene über den Kantonalvorstand der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und den Nationalrat, dem er seit 2003 angehört, bis hin zum Bundeshaus – für die Belange der Bauernschaft. Zudem vertritt er als Vorstandsmitglied des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands (SGPV) und im Verwaltungsrat der Fenaco die Interessen des Agrarsektors.
Die jungen Landwirtinnen und Landwirte sind heute sensibler gegenüber der Beschwerlichkeit der Arbeit. Erleichtert der Generationenwechsel diese Entwicklung?
Ja, zweifellos. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben Schwierigkeiten bei der Arbeitskräftebeschaffung und brauchen gute Argumente. Mit Drohnen lassen sich beispielsweise Parzellen selbst in Steillagen kartografieren, wie etwa in den Weinbergen im Wallis oder im Lavaux, und sie sind ein Argument in Bezug auf die Effizienz. In einem Bereich, in dem es schwierig ist, wettbewerbsfähige Löhne zu zahlen, ist jedes Instrument zur Rationalisierung von Vorteil.
Heisst das, die Roboter werden unsere Landwirte oder zumindest die Landarbeiter ersetzen?
Wir sollten pragmatisch bleiben. Ich will das erst sehen, bevor ich es glaube. Die Aussicht auf einen Roboter, mit dem Sie Ihre Reben schneiden können und sich dabei Rückenschmerzen oder die Kosten für einen zusätzlichen Mitarbeiter ersparen, ist für einen Landwirt sehr verlockend. Aber er wird erst sehen wollen, wie effizient so ein Roboter wirklich arbeitet und ob er nicht anschliessend doch noch einmal Hand anlegen muss. Der Datenschutz ist und bleibt ein heikler Punkt und er unterliegt einer strengen Gesetzgebung. Es liegt stets im Ermessen des Landwirts, ob er einem Datenaustausch zustimmt. Das Beispiel der e-ID zeigt, dass die Frage über die Landwirtschaft hinausgeht und in unserem Land nach wie vor diskutiert wird. Meiner Meinung nach leistet die Technologie einen willkommenen Beitrag zur Rationalisierung. Anfangs sind die Landwirte selbstverständlich immer ein bisschen skeptisch. Aber wenn sie dann sehen, was sie an Komfort, Effizienz oder Sicherheit hinzugewinnen können, ergreifen sie die Gelegenheit beim Schopf. Das trifft auf die gesamte Geschichte der Mechanisierung der Landwirtschaft zu. Was bleibt, ist die Kostenfrage. Nicht jeder Landwirt kann sich die ultramodernen Maschinen auch leisten.
In einem Bereich, in dem es schwierig ist, wettbewerbsfähige Löhne zu zahlen, ist jedes Instrument zur Rationalisierung von Vorteil.
Wie lässt sich verhindern, dass die hohen Kosten der neuen Lösungen die Kluft zwischen den Grossbetrieben und den kleinen Bauernhöfen vertiefen?
Ich glaube nicht, dass das zu erwarten ist. Die Maschinen sind eher für den Einsatz über Dienstleister oder für eine gemeinsame Nutzung vorgesehen. So lässt sich eine Übermechanisierung vermeiden und die Kosten bleiben im Rahmen. Mit einer straffen Organisation funktionieren die Kooperationen der Landwirte gut. Statt dass jeder seinen eigenen Pflug, seine eigene Bodenfräse oder seinen eigenen Mähdrescher hat, telefonieren sie rum und schliessen sich zusammen. Das erfordert ein gewisses Mass an Organisation und in den arbeitsintensivsten Zeiten ist die Lage immer ein bisschen angespannt, aber so lässt sich Geld einsparen. Das Ergebnis: Sie können ihren Personalbedarf senken, sich auf das Wesentliche konzentrieren und haben mehr Zeit für die Familie. All das sind wichtige Argumente für die junge Generation.
Eine der Hauptsorgen der Schweizer Landwirte sind wettbewerbsfähige Preise. Ist die landwirtschaftliche Innovation der Schlüssel, um diesen wirtschaftlichen Faktor zu verbessern?
Teilweise. Der Landwirt wägt stets den Nutzen einer neuen Technologie ab. Im Weinbau sahen viele den Einsatz von Pheromonfallen im Kampf gegen den Traubenwickler zunächst skeptisch. Aber als die Winzer feststellten, dass sie dadurch Spritzmittel einsparten, setzte sich die Methode rasch durch. Sobald ein klarer Nutzen erkennbar ist, wird die Innovation zum Selbstläufer.
Bietet die Agrarpolitik in dieser Hinsicht genügend Anreize?
Mehrere Programme unterstützen den vernünftigen Einsatz von Ressourcen und fördern beispielsweise die Anschaffung sparsamerer Maschinen, die etwa weniger Wasser und Mittel verbrauchen. Die Eidgenossenschaft sollte Anreize setzen. Nehmen wir die Direktzahlungen: Sie sind seit zwanzig Jahren digitalisiert. Das hat die Verfahren vereinfacht, auch wenn die Zögerlichsten zum Umstieg gezwungen werden mussten. Die landwirtschaftlichen Berater spielen eine entscheidende Rolle und sollen die Landwirte bei dieser Entwicklung begleiten.
Im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie hat das BLW das Transformationsprogramm DigiAgriFoodCH lanciert, das bis 2031 umgesetzt werden soll. Wie ist der Stand?
Das Programm (siehe Kasten) folgt dem festgelegten Zeitplan. Es beinhaltet die Zusammenarbeit aller Akteure des Agrar- und Lebensmittelsektors und das BLW übernimmt hier die Rolle des Koordinators. Es zeigen sich erste Ergebnisse: In Kürze wird eine sichere Austausch-Plattform eingerichtet. Das Ziel: Die Landwirte sollen stets die Kontrolle über ihre Daten behalten. Das ist eine Frage des Vertrauens.
Einige Innovationen werfen ethische Fragen auf, insbesondere in den Bereichen Robotik, Genetik oder im Zusammenhang mit Daten. Wer analysiert diese Aspekte und welche Sicherheitsvorkehrungen treffen Sie?
Das BLW verfolgt diese Themen über seine Digitalisierungsprogramme in Abstimmung mit den Kantonen. So wird die Kompatibilität der Systeme sichergestellt. Es muss vermieden werden, dass unzählige Verfahren parallel laufen – ein Fluch des Föderalismus. Das BLW arbeitet mit der Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren, dem Schweizer Bauernverband und den Fachverbänden zusammen. Das Projekt DigiFLUX ist beispielsweise das Ergebnis eines politischen Kompromisses. Der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln soll dadurch optimiert und transparenter gemacht werden. Gleichzeitig sollen die Bedenken der Bevölkerung berücksichtigt werden. Das war eine Frage der Glaubwürdigkeit des Bundesrats im Hinblick auf die Versprechen, die der Bevölkerung auch von der Landwirtschaft gemacht worden waren.
Ein Programm zur Steuerung der Transformation
In Zusammenarbeit mit den Akteuren aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor hat das BLW das digitale Transformationsprogramm DigiAgriFoodCH lanciert. Diese Strategie, die bis 2031 umgesetzt werden soll, verfolgt vier Ziele: Sie soll entlang der gesamten Wertschöpfungskette einen Mehrwert schaffen, Interoperabilität und digitale Souveränität fördern und die Landwirtschaft für die junge Generation attraktiver machen.
+ d’infos digiagrifood.ch
Zu den Schweizer Paradebeispielen im Bereich Agrartechnologie zählt Ecorobotix. Es hat gut fünfzehn Jahre gedauert, bis das Unternehmen den Erfolg hatte, für den es heute bekannt ist. Wie lässt sich der Transfer dieser Technologien in die Praxis beschleunigen?
Innosuisse kann ebenso wie unsere technischen Hochschulen und Initiativen wie CleantechAlps oder Swiss Food Nutrition Valley bestimmte Projekte unterstützen. Was beispielsweise Drohnen betrifft, so ist die Schweiz sehr gut aufgestellt. Aber manchmal dauert es tatsächlich eine Weile, bis die Unternehmen rentabel arbeiten, zumal sich die Technologien rasch weiterentwickeln. Unsere Pioniere wie Ecorobotix und andere sind hier ein echter Motor. Sicherlich schränkt die Grösse unseres Landes die Absatzmöglichkeiten ein. Um zu wachsen, müssen die Unternehmen daher für den Schritt auf die internationalen Märkte bereit sein.
Landwirtschaftliche Innovationen kommen häufig aus dem Ausland. Hat die Schweiz die Mittel, Lösungen vor Ort zu entwickeln?
Ja, dank eines geeigneten Ökosystems, wie etwa dynamische KMU, duale Ausbildung, Hochschulen, Cluster und Start-ups. Die eigentliche Herausforderung ist und bleibt die Finanzierung des sogenannten «death valley», also des heiklen Übergangs von der Innovation zur Vermarktung. Wir müssen noch mehr Fortschritte machen, damit unsere Start-ups nicht systematisch von ausländischen Investoren aufgekauft werden. Aber unsere Institutionen sind nach wie vor ein grosser Vorteil. Nicht umsonst steht die Schweiz regelmässig an der Spitze internationaler Innovationsrankings.
Wir müssen verhindern, dass unsere Start-ups systematisch von ausländischen Investoren aufgekauft werden.
Unsere Landwirtschaft besteht aus kleinen Betrieben mit starken regionalen Besonderheiten. Besteht nicht die Gefahr von Einbussen, wenn technische Lösungen übernommen werden, die für andere landwirtschaftliche Modelle entwickelt wurden?
Die Gefahr besteht, aber die Schweiz verfolgt einen Bottom-up-Ansatz. Das heisst, die Lösungen kommen aus der Praxis und werden nicht staatlich angeordnet. Das ist eine Stärke. Wir lassen uns vom Ausland inspirieren, aber wir passen die Innovationen an unsere lokalen Bedingungen an. Denn bei uns können die Privatwirtschaft und die Landwirte ihre eigenen Lösungen entwickeln. Ich denke, dass diese lokale Innovationsfähigkeit auch von den Bedingungen in der Schweiz herrührt. Unsere Lohnkosten sind hoch, was uns zu ständiger Optimierung zwingt. Das macht uns häufig resilienter gegenüber Krisen, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat.
Wie lassen sich regionales Know-how und Hightech miteinander verbinden?
Das eine schliesst das andere nicht aus. Wichtig sind der Mehrwert und die Rentabilität. Einige kleine hochspezialisierte Betriebe können sehr erfolgreich sein, während so mancher Grossbetrieb aufgrund von Überschuldung schwächelt. Entscheidend ist immer der Preis, den die Verbraucher zu zahlen bereit sind. Das zeigt sich sogar im Biolandbau. Da der Preis ein entscheidender Faktor ist, stossen die Betriebe an gewisse Grenzen. Weniger Verwaltungsaufwand und mehr Mehrwert, das sind die Hauptaspekte und die grosse Herausforderung für die künftige Agrarpolitik.
Verändert der Klimawandel die Lage?
Zweifellos. Die Folgen zeigen sich auf allen Ebenen. Einige Veränderungen machen die Arbeit kurzfristig leichter, während andere umfangreiche Anpassungen in Sachen Bewässerung, Pflanzenauswahl und Infrastruktur erfordern. Die Anpassung hat ihren Preis, ist aber unvermeidbar. Und die Technologien können uns dabei helfen. Ich denke beispielsweise an die Installation von Tröpfchenbewässerungssystemen, um die Verdunstung zu verringern. Die Eidgenossenschaft wird diese Entwicklung begleiten, insbesondere durch die Finanzierung der Erneuerung der Be- und Entwässerungsinfrastrukturen. Strategisch gesehen sind diese Anpassungen unverzüglich umzusetzen. Denn ansonsten stehen wir bald vor gewaltigen Problemen.